Alltagshelden im Erdbeerfeld

Leah Berenguel Senn ist als Flugbegleiterin in Stuttgart stationiert. Da der Flugbetrieb aktuell weitestgehend stillsteht, arbeitet sie zwischenzeitlich zusammen mit mehreren Kolleginnen und Kollegen auf den Birkenhöfen in Köngen und hilft dort bei der Erdbeerernte. Wie sich ihr Alltag derzeit gestaltet hat Leah uns in einem Kurzinterview erzählt.
Wie hat sich dein Alltag seit Corona verändert?
Mir geht es wahrscheinlich ähnlich wie den meisten Leuten aktuell: das soziale Leben bleibt in gewisser Weise auf der Strecke, die Arbeit ist mehr oder weniger auf Eis gelegt und die meiste Zeit verbringe ich zuhause, was aufgrund der Social Distancing Auflagen auch richtig so ist. Anstelle von Besuchen im Fitnessstudio stehen jetzt Joggen und Workouts im Garten auf dem Plan. Ich bin auch noch nie so viel spazieren gewesen, wie in den letzten Wochen. Da ich bei meinem Beruf nun mal nicht in das das Mobile Office umswitchen kann, fing mit der Kurzarbeit auch die Suche nach einem Nebenjob an, überraschenderweise war dies gar nicht so einfach. Ich bin also glücklich, dass ich jetzt mehrmals die Woche auf dem Hof arbeiten kann.
Was nimmst du für dich aus deiner Tätigkeit als Erntehelfer mit?
Die Arbeit als Erntehelfer ist ein echter Knochenjob. Wir haben das Glück, dass unsere Erdbeeren auf Augenhöhe in Gewächshäusern angebaut werden. Das erleichtert die Ernte und trotzdem bin ich abends fix und fertig und froh, wenn ich zuhause bin. Deswegen habe ich wirklich größten Respekt vor allen Saisonarbeitern, die Tag ein Tag aus, bei Wind und Wetter, unter Zeitdruck und mit Qualitätsvorgaben, ihr Bestes geben, damit wir genug Spargel, Erdbeeren, Himbeeren oder andere Obst- und Gemüsesorten im Supermarkt vorfinden. Ich habe aktuell die Gelegenheit hinter die Kulissen zu schauen und mir wird klar, wie viel harte und ehrliche Arbeit dahinter steckt. Beim Einkaufen sieht man nur das Endprodukt und vielleicht die eine, nicht so schöne Erdbeere in der Schale. Dass aber alle Erdbeeren von Hand gepflückt, sortiert und sorgfältig in die Schale gelegt wurden, das sieht man nicht. Außerdem zeigt mir der Job, wie wichtig es tatsächlich ist, regionale Produkte zu kaufen, oder dies zumindest zu versuchen. Damit tun wir nicht nur der Umwelt und den Betrieben der Region etwas Gutes, sondern auch unseren Saisonarbeitern, die, wie diese Pandemie gezeigt hat, fest in unserem System verankert sind.
Natürlich ist mein Arbeitsalltag aktuell komplett anders als vor der Pandemie. Mir fehlt es, meine Uniform anzuziehen, unsere Gäste zu begrüßen, das Meer zu sehen und dieses gewisse „Crewleben“ zu haben, aber der Erntehelferjob und Corona haben mir auch neue Dinge gezeigt. Ich habe viele meiner Kollegen neu kennengelernt. Ich habe gesehen, dass körperliche Arbeit Spaß machen kann und Disziplin fördert… Und ganz abgesehen von dem finanziellen Aspekt, ist es auch einfach schön, sich auf Neues einzulassen, was ich wahrscheinlich ohne diese Umstände nie gemacht hätte.
Worauf freust du dich, wenn die Krise vorbei ist?
Auf die simplen Dinge: Restaurant, Kino, Grillen mit Freunden und natürlich Reisen. Ich kann es kaum abwarten, bis ich wieder hunderte Menschen am Tag in ihren Urlaub begleiten kann und dabei ab und an den Sonnenaufgang über den Wolken genießen werde. Wenn ich daran denke, mit welcher Freude die Passagiere den Flieger betreten werden, wenn sie endlich reisen bzw. ihre Reise nachholen können, dann wünschte ich, es wäre schon so weit. Ein bisschen Geduld brauchen wir aber wohl noch. Ich glaube, wenn dann alles wieder losgeht, genießen wir alle die alltäglichen Dinge viel mehr.